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Statement zur Durchführung

Am 14.4.2021 hat der Bundesrat trotz hoher und vielerorts steigender Covid-Fallzahlen entschieden, die bisher getroffenen Massnahmen zu lockern. Veranstaltungen mit bis zu 50 Menschen drinnen und 100 Menschen draussen sind wieder erlaubt, was eine Durchführung der Tour décolonial mit Publikum in angepasstem Rahmen zulässt. Die Lockerungen haben bei uns zu grossen Diskussionen geführt und zur Feststellung, dass das Veranstalten von Kulturevents und Workshops zum jetzigen Zeitpunkt zu einigen unauflösbaren Widersprüchen führt, auf die wir hier kurz eingehen wollen.

Die Pandemie fordert global gesehen die Leben derer, welche durch die weltweiten Machtstrukturen am verletzlichsten sind. Wenn wir versuchen, uns einer dekolonialen Perspektive anzunähern, können wir die Augen nicht vor diesen brutalen Tatsachen verschliessen. Die Pandemie trifft jene Körper und Gemeinschaften am meisten, die bereits wirtschaftlich enteignet, strukturell diskriminiert, politisch verfolgt und entrechtet sind. Meist, aber nicht ausschliesslich sind es Menschen im und aus dem Globalen Süden. Beispielweise klagen in Brasilien zivilgesellschaftliche Bewegungen und öffentliche Personen, dass während der Pandemie ein Genozid stattfindet.1 Es ist folglich nicht einfach nur das Virus, welches diese Leben fordert, sondern es sind jene Machtstrukturen, die im Zuge des kolonialen Projektes, der Globalisierung und neoliberalen Wirtschaftsparadigmen entstanden sind. Wenn wir zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz Events mit Publikum durchführen, müssen wir dies im Bewusstsein dieser Realitäten und in Verbindung mit ihnen tun; dass wir die Möglichkeit haben, jetzt Veranstaltungen durchzuführen, ist auch Ausdruck unserer Position im kolonialen Projekt und der damit verknüpften Privilegien.

Die Lockerungen in der Schweiz lassen sich nur mit dem globalen Kontext zusammendenken. Wir sehen die Position der Schweizer Regierung als äusserst problematisch. Trotz hoher Fallzahlen die Schutzmassnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie zu lockern, ist Teil einer neoliberalen Logik, die Individuen verantwortlich macht und nicht die Institutionen, die das Kollektiv unterstützen sollten. Die Lockerungen werden mit der Impfstrategie begründet, die jedoch ebenfalls nur aufgrund der globalen Machverhältnisse so bestehen kann. Länder aus dem Globalen Norden können massiv Impfstoffe horten während sie die Aufhebung der Patente für die Impfstoffe verhindern und sich einen exklusiven Zugang zu diesen sichern. Eine globale neoliberale Wirtschaft, welche diese Verhältnisse erst hervorgebracht hat, soll durch den Tod und die Schäden jener gerettet werden, die bereits ausgebeutet werden. So missbraucht die Regierung die Verletzlichkeit von Menschen, die sich in einer Situation emotionaler und finanzieller Unsicherheit befinden, und setzt sie der Ansteckung aus, ohne die emotionale und materielle Verantwortung zu übernehmen, die der Staat übernehmen sollte.

Gleichzeitig ist die Situation für viele Kulturschaffende und in der Gastronomie tätige Menschen sowohl psychisch wie auch ökonomisch extrem belastend bis existenziell bedrohend. Die versprochenen Gelder des Staates zu bekommen, stellt sich für viele als ein extrem langer, mühseliger und teilweise unsicherer Prozess dar, der mit unzähligen bürokratischen Hürden verbunden ist.

Wir sehen ein, dass es widersprüchliche Bedürfnisse und Realitäten gibt. Deshalb müssen wir uns eingestehen, dass es unmöglich ist, in dieser Situation in jeder Hinsicht ethisch vertretbar und kohärent zu handeln. Unsere Haltung ist, dass wir keine Entscheidung über die Köpfe der Veranstalter*innen und Künstler*innen hinweg treffen wollen.

Nach langen Diskussionen haben wir uns deshalb für Folgendes entschieden:

Die Tour décolonial findet meist online, teils aber auch vor Ort oder hybrid statt,  wobei die Entscheidung über die Art der Durchführung jeweils gemeinsam mit den Veranstaltenden getroffen wird.

Wir bitten alle Menschen, die an einer Veranstaltung vor Ort teilnehmen möchten, nach Möglichkeit einen Schnelltest zu machen und sich unbedingt ans Schutzkonzept zu halten.

 

Mit solidarischen Grüssen die Tour décolonial

26.4.2021